Geschlechtspflanzen

 
 

Ich naives Ding habe ja gedacht, mit der Smart Watch hätten wir den absurdesten Auswuchs im Sammelsurium der sinnfreien Konsumgüter des Spätkapitalismus hinter uns. Doch ich vergass die wichtigste Zutat für die absolute Realsatire: Gender! So war ich letztens Blumen kaufen (für mich, denn muss man sich auch mal selbst beschenken) und entdeckte im Blumengeschäft – die Männerpflanzen. Kein Witz! Das sind Pflanzen für Männer. Oder männliche Pflanzen. (Darüber bin ich mir noch nicht im Klaren.) Mann möchte ja schliesslich keine normalen, weibischen Topfpflanzen, sondern so ein richtig maskulines Grüngestrüpp. Die entsprechende Homepage, die ich daraufhin konsultierte, gab mir weitere Einblicke in die Welt der «Androdendren». So gibt es dort den Kaktus Bruce mit dem Motto «Stehvermögen. What else» – wohl der Porsche unter den Männerpflanzen (also das Modell für die weniger gut Bestückten). Bruce hat jedenfalls die «geringsten Ansprüche und übersteht die härtesten Bedingungen.» Aha… Daneben gibt es aber auch ein Pfeilwurzgewächs mit Namen Mike. Der ist eine «Sportskanone durch und durch». Bleibt nur zu hoffen, dass Mike nachts seinen Topf vor lauter testosterongeschwängertem Bewegungsdrang nicht verlässt. Auch unverwechselbar ist ein weiterer Kaktus mit Namen Jack, der treibe es nämlich gern auf die Spitze, steht da. Und weiter: «Seine Dornen können sehr spitz und hart sein, aber auch fein und weich.» Klingt wie die Verheissungen, die man sonst in Tinderprofilen liest. Ist die Phase der Haustiere auf Tinder vorbei, und nun folgt die Ära der Hauspflanzen?

Ich frage mich ja auch, ob den Zimmerpflanzen beim Eintopfen jeweils das richtige Geschlecht zugewiesen wurde? Und ob es vielleicht ein paar Pflanzen in Drag darunter hat? Und gibt es auch schwule Männerpflanzen? Vielleicht der Bogenhanf William, der «everybody’s darling» ist? Der hat ja schon eine etwas extravagante Frisur… 

Und warum eigentlich diese Charmeoffensive mit Männerpflanzen? Werden männliche Topfsetzlinge etwa seltener gekauft, weil sie nicht so schön herausgeputzt sind wie ihre weiblichen Pflanzgenossinnen? Wie im Tierheim zurückgelassene, alte Rüden?

Und warum gibt es eigentlich keine Frauenpflanzen? Zum Beispiel den Rosenbaum Amalia: Steht gerne auf dem Herd und will nichts anderes als hübsch aussehen. Oder die Primel Jessica: Mag es, wenn man sie zutextet und über ihren Kopf weg entscheidet – und das Beste: Sie kann nicht widersprechen. Oder den Weihnachtsstern Senta: Die linke, feministische Pflanze – ist schliesslich rot und sieht schon so aus wie ein Gendersternchen!

Aber vielleicht gehen meine Gedanken auch viel zu weit. Denn vielleicht – aber nur vielleicht – sind die Männerpflanzen einfach ein ganz kläglicher Hirnfurz einer sexistischen Marketingabteilung. Denn weder Pflanzen noch Dinge haben ein Geschlecht. Geschlecht entsteht in unseren Köpfen. 

Mona Gamie