Nehmt Abschied, Schwestern!

 
 

Kennen Sie das aus Büchern oder Filmen, liebe Leserin, lieber Leser? Kommt eine Szene des Abschieds sagt bestimmt einer der Protagonisten einen Satz wie: «Lass es uns schnell hinter uns bringen – ich hasse Abschiede!» Ich konnte das nie so ganz nachvollziehen. Ich liebe Abschiede. Die Dramatik, die Emotionen, die Ungewissheit. Und die Zusicherungen der Gegenüber, sich viel zu bedeuten, aneinander zu denken, sich im Herzen zu wahren. Gut, ich bin nicht Rose und stehe nicht auf einem sinkenden Schiff. Auch bin ich nicht Ingrid Bergmann im Casablanca des Zweiten Weltkriegs und das einzige, was bliebe, wäre Paris. Natürlich bergen heute Abschiede in einer Welt, die freier und sicherer ist, nicht mehr dieselben Tücken. Eben genau darum denke ich, sollten wir Abschiede mehr zelebrieren, ja ein richtiges Tamtam draus machen!

Warum schreibe ich aber von Abschieden? Nun, zwei Gründe: Dies wird vorerst meine letzte Kolumne sein. Über ein Jahr lang sind wir gemeinsam in die Untiefen des Geschlechterurwalds abgetaucht, haben viel gelernt über Feminismus (also, Siehaben viel gelernt) und ich plauderte frank und frei von den Unanständigkeiten, die eine Drag Queen in ihrem Alltag beschäftigen. Und weil ich ja Abschiede so liebe, nehme ich mir nun auch das Recht, darüber zu schreiben: Adieu! Ich hoffe, sie hatten Spass und konnten einiges mitnehmen. Obwohl wir uns nie wirklich begegnet sind und Sie sich, ehrlich gesagt, wohl auch nicht ausgesucht haben, welche Kolumnistin Ihnen da auf der zweitletzten Seite ihrer Lieblingszeitung entgegengrinst und Sie dann auch noch belehrt, habe ich Sie ins Herz geschlossen – ach! Bloss nicht weinen. (schnieft)

Der andere Grund: Ein Abschied ist der perfekte Aufhänger, um Ihnen noch eine Botschaft mit auf den Weg zu geben: Abschiede, ich habe es angetönt, sind eine ideale Gelegenheit für Theatralik, Extravaganz und Exaltiertheit. Sowas darf man sich nicht entgehen lassen. Ich plädiere für mehr Ausscheren. Nicht nur bei Abschieden – auch sonst wo im Leben. Das Leben ist zu kurz, um langweilig zu sein, pflege ich jeweils zu sagen.

Also: Brechen Sie mal aus, wenn Sie’s nicht schon tun! Seien Sie mal etwas extravaganter, übertriebener! Warum denn immer so normal sein wollen, wenn hinter der grauen Fassade eine bunte Welt wartet? Sowieso – wer und was ist schon normal? Sind wir nicht alle ein bitzeli abnormal? Und ist es nicht schön, wenn man mit Althergebrachtem spielt, Traditionen über Bord wirft und einfach mal: Neu denkt!

Mit diesen ungewohnt philosophischen (gut, ertappt: Taschenkalender-philosophischen) Gedanken möchte ich Sie entlassen. Ich hoffe, Sie haben mich gerne gelesen – ich habe jedenfalls gerne für Sie geschrieben. Auf bald und leben Sie wohl! (schnäuzt geräuschvoll die Nase)

Mona Gamie